Zurueck

Verständnis

Kann man entwerfen lernen?
Die Fragestellung, ob ein kreativer Schaffensprozess erlernbar ist, dürfte so alt wie die Tätigkeit selber sein. Der architektonische Entwurf, als individuell bestimmter Ausdruck des Gefühls von Proportion, als Haltung zur Stadt, schlichtweg die Kunst Raum zu artikulieren, (Eco) ist vielleicht nicht erlernbar - Entwurfsmethodik und Entwurfsprozesse lassen sich aber sehr wohl verobjektivieren und somit auch, in Architektur übersetzt, erlernen.

Das projektorientierte Studium der Architektur an der Hochschule schafft hierfür die Basis. Der kreative Schaffensprozess des Entwurfs des Studierenden wird im Moderationsprozess durch den Lehrenden begleitet – Die Analogie zur Akademieausbildung ist augenscheinlich. Im individuellen Gespräch werden Motive ergründet, persönliche Absichten und Stärken ans Licht geholt (Jäger); in den Präsentationen diskutiert die Gruppe den jeweiligen Entwurfsfortschritt. Das Wissen der Anderen wird mit dem eigenen abgeglichen und angeeignet und fließt schließlich in den zukünftigen Entwurfsprozess mit ein.

Steht doch beim Studium des Entwerfens nicht das Erlernen von Wissen, sondern eher das Sammeln der eigenen Erfahrungen im Mittelpunkt, denn nur das Wissen, das man eigenständig erlangt, ist von nachhaltigem Wert (Dewey). Entwerfen versteht sich somit auch nicht als erlernbares, ingenieurtechnisches Phänomen, sondern als ein durch intensive Auseinandersetzung über die Zeit aneignenbares kulturtechnisch- und kulturtheoretisches Phänomen.

Literatur:
Schaffensprozesse X
Dagmar Jäger, in: GENERALIST, Darmstadt, 2010
Einführung in die Semiotik
Umberto Eco, München, 1972
An Introduction to the Philosophy of Education
John Dewey, New York, 1922

 

 

Haltung
Zu einer urbanen Kontingenz - Die heutigen Voraussetzungen auf dem Feld des Städtebaus erfordern ein Umdenken in der Gestalt der Entwicklungsperspektive. Die bisher zumeist auf Leitbildern basierenden Entwürfe erfahren große Probleme in der Prozessualität ihrer Umsetzung. Mehr denn je gilt es die Organizität dessen anzuerkennen, was man als Stadt zu bezeichnen gewohnt ist. Die Forderung schließt an den Begriff der Stadtlandschaft an, ohne sich in dessen Bildhaftigkeit zu verfangen. Dabei sind es gerade die realen Bilder der Städte, die uns die Begrenztheit von Planung vor Augen führen. Das größte Problem, das sich den Beteiligten in dieser Situation stellt, liegt in der Antizipation, die unweigerlich mit der Planung verbunden ist. Jeder Entwurf hat ein Verfallsdatum, wobei sich gute Entwürfe durch ein möglichst geringes Maß an Antizipation und damit durch eine längere Haltbarkeit auszeichnen.

Die meisten städtebaulichen Konzepte der Vergangenheit zerbrachen an dem in der Planung ignorierten Faktor Zeit. Die stetig wechselnden Parameter von Stadt führen dazu, dass selbst neu entwickelte Bildversprechen nicht eingelöst werden können. Begreift man das Geflecht heutiger Stadtagglomerationen ein Stück mehr als Organismus, geraten Eingriffe zu Implantationen - Städtebau bezeichnet zwar eine durch Verfasstheit bestimmte Form von Stadt, doch handelt es sich in der Regel um überschaubare Einheiten, die bereits bestehende Siedlungsgefüge ergänzen. Die zwei diametral entgegengesetzten Möglichkeiten der Stellungnahme dazu lauten Autonomie oder Kontextualität. Das Erste bedeutet Isolation, das Zweite Vernetzung. Als Extreme sind sie ebenso unbrauchbar wie uninteressant.

So ist für den Städtebau eine strategische Methode zu entwickeln, die den immer und nie fertigen Zustand der Stadt nicht nur akzeptiert, sondern voraussetzt. Es geht darum, Möglichkeitsräume zu schaffen, die sich einer endgültigen Form verweigern. Die Wiederentdeckung des Ideals der europäischen Stadt ergoss sich in postmodernen Bilderwelten.  Koolhaas kritisierte sie als eine "Welt ohne Urbanismus  ...nur noch Architektur." Dem lässt sich die "unfertige Stadt" gegenüber stellen. Eine Stadt die nicht das eine Bild annimmt, die konträr dazu Brüche und Ungereimtheiten nicht nur akzeptiert sondern gerade fordert und mit entwirft - die räumliche "Gelegenheit" steht vor der ästhetischen Präfabrikation.


(Auszug aus dem Leitartikel "Zu einer urbanen Kontingenz", Kleinekort et.al. in Architektur und Wettbewerbe, Karl Krämer Verlag)